Seite 1 von 1

Wie Terror und politische Umbrüche den Tourismus beeinflusse

Verfasst: Fr 19. Feb 2016, 10:28
von Ralf Kiefer
Hallo!
Fünf Jahre nach dem Arabischen Frühling liegt der Tourismus in Ägypten und Tunesien am Boden. Wie wirken sich politische Umbrüche im Vergleich zu Terroranschlägen auf die Urlauberzahlen aus? Eine Datenanalyse.
Weiter bei SpOn, man muß Javascript für spiegel.de einschalten, um die Grafiken dargestellt zu bekommen.

Daten aus 4 touristisch relevanten Gegenden sind hier im Vergleich: neben Ägypten und Tunesien stehen Daten zu London und Bali zur Verfügung. Die Türkei fehlt leider (noch). Mich erstaunt dabei die "Kurve" zu Ägypten. Dort kann wohl passieren, was will, und immer noch gehen Tourismusmassen dorthin, denn ich erinnere mich zusätzlich noch an Meldungen zu "Problemen" bei Nilkreuzfahrten zu Beginn des dargestellten Zeitraums.

Gruß, Ralf

Re: Wie Terror und politische Umbrüche den Tourismus beeinfl

Verfasst: Fr 19. Feb 2016, 14:00
von Turi
Hallo Ralf

Wir waren ja 3 Monate, während unserer Reise um Afrika, in Ägypten und dem Sinai.
Der Tourismus ist meiner Meinung nach, praktisch tot.
Zu verantworten hat das aber in erster Linie die Regierung selbst.
Man wird gegängelt, kontrolliert, eskortiert, das meiner Meinung nach überwiegend nicht zu unserer Sicherheit beigetragen hat.
Nur die Aufenthaltsverlängerung auf 3 Monate hat 4 Tage gedauert, von einem Amt zum anderen, um die diversen Stempel zu holen.
Sogar die Ägyptische Zulassung inkl. Kennzeichen mussten wir nach einem Monat noch einmal wechseln, alles immer schön mit Kosten verbunden.
Das mag in den Hotelburgen anders sein, solange man im touristischen Bereich bleibt, will man einen Ausflug machen fängt der Stress schon an.

Die Bevölkerung, speziell die Beduinen und Nubier leiden unter der Korruption.

Die Camps im Sinai verfallen, tausende im Bau befindlichen Hotels ebenso.
Die Leute müssen stundenlang für eine Unterschrift, für was auch immer, anstehen.... und bezahlen.

Wir würden jederzeit wieder nach Ägypten gehen, wegbleiben nur wegen der Regierung bzw. deren Helfern.
In den letzten paar Wochen habe ich verschiedentlich mit Leuten geredet, die von einem Pauschalurlaub zurückgekommen sind, die waren überwiegend zufrieden, ausser dass manchmal, mangels Gästen, der Service zu wünschen übrig gelassen hat :shake:
Dass man in ein Attentat von Terroristen etc. verwickelt wird, ist vermutlich nicht grösser als zB. in Frankreich, zumindest nicht in den Hotelanlagen, dass man aber Probleme mit der Staatsmacht bekommt, ausserhalb der Hotelbereiche, ist sehr wahrscheinlich.
Das war zumindest unsere Erfahrung.

Gruss Turi

Re: Wie Terror und politische Umbrüche den Tourismus beeinfl

Verfasst: Fr 19. Feb 2016, 14:48
von Ralf Kiefer
Turi hat geschrieben: [Ägypten}
Der Tourismus ist meiner Meinung nach, praktisch tot.
Laut dieser Statistik sind im Jahr 2015 ungefähr so viele Touristen nach Ägypten gereist wie im Jahr 2007. D.h. tot würde ich das nicht nennen.
Turi hat geschrieben: Das mag in den Hotelburgen anders sein, solange man im touristischen Bereich bleibt, will man einen Ausflug machen fängt der Stress schon an.
Ich unterscheide ein paar Gruppen von Touristen, und daher ihre Ziele, Ansprüche und Wünsche:
1. Pauschal, eingezäunte Hotelburg, "betreutes" Erholen.
2. Pauschal, mit kulturellem (oder was auch immer) Anspruch, betreut im Land unterwegs.
3. Individualreisende meist mit eigenem Fahrzeug, in Ägypten natürlich häufig auf der Durchreise mit mehr oder weniger viel Zeit fürs Land.
4. Hardcore-Ägypten-Fans, die sich selbstorganisiert intensiv mit Land und Leuten beschäftigen wie z.B. Alexander und seine Wüstenwanderung.

Die Menge für die Statistik ist typischerweise mit jeder Kategorie stark abnehmend, weswegen in dieser Statistik überwiegend die 1. Kategorie gewertet ist. Aber erst ab Kategorie 3 erkennt man das "wahre Leben" im Reiseland.
Turi hat geschrieben: Die Bevölkerung, speziell die Beduinen und Nubier leiden unter der Korruption.
Ein Inlandsproblem.
Turi hat geschrieben: In den letzten paar Wochen habe ich verschiedentlich mit Leuten geredet, die von einem Pauschalurlaub zurückgekommen sind, die waren überwiegend zufrieden, ausser dass manchmal, mangels Gästen, der Service zu wünschen übrig gelassen hat :shake:
Genau das ist der Punkt, der mich wundert. Die schaffen es offensichtlich die Verhältnisse etwas außerhalb ihres geschützten Bereichs zu ignorieren.
Turi hat geschrieben: Dass man in ein Attentat von Terroristen etc. verwickelt wird, ist vermutlich nicht grösser als zB. in Frankreich, zumindest nicht in den Hotelanlagen, dass man aber Probleme mit der Staatsmacht bekommt, ausserhalb der Hotelbereiche, ist sehr wahrscheinlich.
Da hast Du einen wesentlichen Punkt beschrieben: in der eingezäunten Hotelanlage wird relative Sicherheit gelebt. Ok, das Attentat in Tunesien hat das ein bißchen widerlegt.

Gruß, Ralf

Re: Wie Terror und politische Umbrüche den Tourismus beeinfl

Verfasst: Fr 19. Feb 2016, 15:13
von schnorr
im gespräch mit kunden, freunden und nachbarn, die nach ägypten geflogen sind in den letzten monaten habe ich rausgehört, dass die ereignisse eher nebensächlch ist, die "gefahr" wird runtergespielt und verdrängt.
es gibt in den normaltouriaugen keine gefahr. hauptsache, das buffet ist voll. und die reise ist billig, egal, wie das zustande kommt.

in meinen paar wenigen hotelurlauben habe ich auch festgestellt, dass die menschen lieber im hotel bleiben, nur ein paar wenige trauen sch überhaupt aus der anlage raus ins benachbarte dörflein und ganz selten fährt mal jemand mit dem öpnv auf eigene initiative zu irgendeinem ereignis hin. beliebter sind da organisierte ausflüge im klimatisiertem bus.
mit wanderschuhen bestückt war ich oft der einzige tourist im riesigen hotelbereich :mrgreen:

jeder vergleich des individualtouristen mit den pauschis hinkt!

Re: Wie Terror und politische Umbrüche den Tourismus beeinfl

Verfasst: Fr 19. Feb 2016, 16:27
von Guido3
Hallo,
Ralf Kiefer hat geschrieben:Laut dieser Statistik sind im Jahr 2015 ungefähr so viele Touristen nach Ägypten gereist wie im Jahr 2007. D.h. tot würde ich das nicht nennen.
Tot nicht, aber rund 40% niedriger als 2010/11. Ob die Zahlen stimmen, wissen wir auch nicht. Es könnte ein gewisses Interesse geben, die Zahlen nicht ganz so desaströs aussehen zu lassen, damit es keine sich selbst verstärkende Entwicklung gibt. Reine Ankunftsstatistiken zeichnen auch nur ein unvollständiges Bild. Soweit das erkennbar ist, sind Preise massiv gesunken, damit überhaupt noch jemand kommt. Touristen aus dem Westen wurden zunehmend durch Touristen aus Russland ersetzt. Putins Willen folgend fallen die nun aber auch noch komplett weg.

Sharm El Sheikh ist der zweitwichtigste Tourismusstandort im Land. Nachdem das russische Flugzeug über dem Sinai vom Himmel gefallen ist, wurden 90-100% der touristischen Flüge nach SSH gestrichen. Wenn man beim Flughafen SSH z.B. heute auf die Ankünfte schaut, dann gab es wieder keinen einzigen Flug aus bislang wichtigen großen Quellmärkten wie Deutschland, UK, Italien, Frankreich ... Natürlich auch keinen aus Russland. Ohne Flüge keine Touristen. Die Lage der Tourismusbranche dort muss verheerend sein.

Das Mängel am Service beklagt werden, wundert mich nicht. Viele Hotels dürften bei den aktuellen Preisen defizitär arbeiten. Eine Woche all-Inklusive im 4-Sterne-Hotel in Hurghada gibt es für 240 EUR. Im 5-Sterne-Hotel ab 260 EUR. Inklusive Flug. Wenn die Hotels 5-15 Euro pro Tourist und Tag bekommen und damit Unterkunft, All-Inklusive-Essen, Getränke uns Unterhaltung finanzieren sollen, welcher Service soll denn da noch drin sein? Die Touris sehen zum Teil nur, dass sie 5 Sterne gebucht haben und erwarten entsprechenden Service. Das sie im Prinzip nur für ein Feldbett im Gemeinschaftszelt und eine kalte Dose Spagetti pro Tag bezahlt haben, sehen einige nicht. Am Ende gibt es dann noch miese Bewertungen auf Tripadvisor und Co. und das schadet dem Tourismus weiter.

Beste Grüße

Re: Wie Terror und politische Umbrüche den Tourismus beeinfl

Verfasst: So 6. Mär 2016, 23:30
von Ralf Kiefer
Es gibt jetzt auch Zahlen zum Kriegsgebiet Türkei, siehe Telepolis: Einbruch der Tourismusbranche in der Türkei.
Nicht erst seit dem Anschlag auf eine deutsche Touristengruppe in Istanbul (wer fragt eigentlich noch nach Attentäter und Hintergründen?) krankt der türkische Tourismus. Immer mehr Touristen wenden der Türkei den Rücken zu, sei es, weil sie angesichts der Anschläge des IS verängstigt sind, oder weil sie die Politik Erdogans nicht mit ihrem Geld finanzieren wollen.
Aber:
Bundesinnenminister Thomas De Maizière (CDU) rät Urlaubern trotz der Anschläge in die Türkei zu reisen.
Aber "Touristen", die nach Aleppo reisen wollen, nimmt er Paß und Personalausweis ab. Wie kann man nur so verpeilt sein?

Der sollte mal die Web-Seite vom Aussätzigen Amt lesen.

Gruß, Ralf