Südsudan | Lebensgefahr bei Reisen- Berichte 2009 und 2010

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dietmar.peter
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Südsudan | Lebensgefahr bei Reisen- Berichte 2009 und 2010

Beitrag von dietmar.peter »

Nach dem Friedensschluß zwischen Nord-und Südsudan Anfang 2005 waren wir jeweils von Kenia aus fahrend im Januar und Februar 2007, 2008 und 2009 eingereist und Fahrten hoch nach Boma und nach Juba und dann westlich des Nils über Yei und auch Yirol nach Rumbek und Wau unternommen und zurück.
Diese Gegend ist relativ sicher und der "Buschfunk" teilt schnell mit, wenn es irgendwo irgendwelche Schießereien gibt.

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Nördlich davon sind jedoch größere bewaffnete Auseinandersetzungen meist aus politischen Gründen erfolgt und auch weiter zu erwarten, wie in und um Abyei, Nasir und Akobo.
Nach der letzten Fahrt vom 12.01.2009 bis 02.03.2009 und den in diesem Jahr gemeldeten über tausend Toten zwischen verschiedenen Stämmen, muß dringend vor einer Reise in den Südsudan gewarnt werden.
Die Stammeskämpfe werden regelmäßig wegen des Viehdiebstahls als auch wegen des Kinderraubes geführt und tangieren nicht unmittelbar den Reisenden.
Nach unseren diesjährigen Erfahrungen und den Veröffentlichungen der sudan tribune haben einige Kämpfe wohl zwischenzeitlich eine andere Qualität erhalten: Frauen und Kinder werden erschossen und Ansiedlungen niedergebrannt. Ein absolutes Tabu in der Vergangenheit!
Sicherlich geht es um Weidegründe, Wasserstellen und heute auch vermehrt wieder um politische Gegebenheiten in Angesicht der Parlamentswahlen im nächsten Jahr und dem Referendum 2011.
Im Dezember 2008 ereignete sich auf der Strecke von Lokichoggio/kenianischer Grenzort und Nadapal/südsudanesischer Grenzort (insgesamt 25 km) ein Überfall, den uns der Arzt des kleinen Hospitals von AMREF in Lokki wie folgt schilderte:
"Ein LKW mit zwei Kenianern und fünf Südsudanesen wurde von Bewaffneten gestoppt. Alle mußten aussteigen, wurden ausgeraubt und anschließend -um keine Zeugen zu hinterlassen- erschossen! Zwei lebten noch, von denen der eine in dieses Hospital gebracht und der andere mit einem Hubschrauber nach Eldoret ins Krankenhaus geflogen wurde.
Beide waren ihren Schußverletzungen erlegen! Die Schuld gab man Angehörigen des Toposa-Stammes, der dort siedelt.
Drei Wochen später befuhren wir die Strecke und waren in der Gegend. Die UN hatte 2007 noch einen Konvoi zusammengestellt, den es jetzt aber nicht mehr gibt.
Selbst in den Außenbezirken von Juba (Hauptstadt) und Bor (200 km nördlich von Juba) kommt es immer wieder zu Überfällen des Murle-Stammes, bei denen Vieh gestohlen aber auch Kinder geraubt werden.
Unweit der Brücke über den Nil in Juba, etwas außerhalb, wurde uns berichtet, daß es in den letzten zwei Wochen drei Mal zu Raub von Kindern gekommen war, bei denen Großeltern und eine Mutter erschossen wurden, in unmittelbarer Nähe,"dort drüben bei den einzelnen Hütten"!
Dabei zeigten sich die Informanten unbetroffen, waren es doch keine Einzelfälle.
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Oben, weit nördlich von Bor in Panyangor berichtete uns ein Kriegsinvalide
daß "in Juba in der vorigen Woche insgesamt fünfzehn Kinder geraubt worden" seien und sich deshalb der Vizepräsident Riek Marchar persönlich jetzt in Pibor aufhalte, um mit der Murle-Administration über die Rückführung der Kinder zu
verhandeln. "Wenn Murle bei uns Dinka Kinder rauben, kümmert sich keiner darum! Wir regeln das dann auf unsere Weise", lachte und setzte eine weitere Flasche Bier an.
Der Security-Polizist wollte uns nicht in Richtung Malakal weiterfahren lassen, da es "gestern Schießereien bei Duk Padiet zwischen Dinka und Nuer gegeben" habe und wollte Bewaffnete mitgeben. Wir fuhren allein. Bis Ayot konnten wir dann unbehelligt auf und dann neben dem Damm des Jonglei-Kanals fahren auf grausiger Piste und erfuhren
nur beiläufig, daß im 80 km entfernten Malakal heftige Kämpfe ausgebrochen seien.
Bei der GTZ (Gesellschaft für Techn.Zusammenarbeit) in Juba haben wir erfahren, daß die Piste nach Yei und hoch nach Rasol und Farasika unsicher sei und wegen Übergriffen der LRA (Lord Resistance Army) nicht mehr befahren werden soll. Gerade diese Strecke sind wir noch im letzten Jahr gefahren. Die GTZ mußte jedenfalls ein Projekt bei Rasol einstellen.
Man soll jetzt die gute Piste über Mundri (jetzt neue Brücke) nehmen, jedoch war von Rumbek kommend die Piste Mitte Februar tagelang gesperrt wegen heftiger Schießereien um Mulu zwischen zwei rivalisierenden Dinka-Stämmen.
Der Konflikt wurde letztendlich durch die SPLA beendet.
In Bor erfuhren wir, daß "hier jeder jeden umbringen kann" und daß die Piste zwischen Bor und Juba "höchst gefährlich" sei (hier kommt es regelmäßig zu bewaffneten Konflikten zwischen Murle und Dinka.

Unser Vorhaben von Bor nach Pibor (Hauptort der Murle) zu fahren , mußte leider aufgegeben werden, wegen der katastrophalen schmalen Piste und des beginnenden Regens.
Mit Sicherheit wären wir auf dem teils lehmigen Untergrund in eines der vielen tiefen Löcher gerutscht und wegen der Unbeweglichkeit ausgeraubt
und umgebracht worden- von wem auch immer!
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Bei unserer Rückfahrt trafen wir im kleinen Hospital der DOT (Diocese of Torit) in Kapoeta Schwester Agnes von der Missionsstation aus Kuron (180 km nördlich von Narus) mit verbundenem rechten Unterschenkel.
Gestern, erzählte sie, war ihr LKW, von der Kenia-Grenze kommend, 5 Km vor Narus, beschossen worden. Der Fahrer berichtete dann, daß zwei Bewaffnete aus dem Busch auf die Piste sprangen und anlegten. Als er weiterfuhr, sprangen sie zur Seite und schossen durch die rechte Fahrertür und trafen die Schwester mit einem Streifschuß. Da das Bein anschwoll wurde sie dann noch nach Nairobi ins Krankenhaus ausgeflogen und erfolgreich operiert.
Zwei Tage später war vor Kapoeta ein weiteres Fahrzeug beschossen und vor einer Woche ein Polizist auf der Strecke Kapoeta-Juba erschossen worden.
Diese Vorkommnisse sind auch der sudan tribune keinen Bericht wert.
Zuletzt geändert von dietmar.peter am Mo 20. Jun 2011, 21:40, insgesamt 14-mal geändert.
Dietmar Peter

Birgitt
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Beitrag von Birgitt »

Hallo Dietmar,

danke für deinen ausführlichen "Lagebericht" zum Süd-Sudan.

Oft wird die Lage in der Presse ja dramatischer dargestellt, als es vor Ort tatsächlich ist.
Manchmal aber findet man in der Presse kaum etwas über "vergessene" Regionen.
Wir haben im Forum bereits angefangen, :arrow: Presseartikel zur Situation im Süd-Sudan zu sammeln.

Der Süd-Sudan hat mich in den letzten Jahren auch mehr und mehr als Reiseziel gereizt, aber nach allem, was ich von dir aktuell gehört habe und in der Presse in den letzten Wochen gelesen habe, scheint sich diese Region leider wieder zur "no-go-Area" zu entwickeln.

Schade.

Gruß
Birgitt

steffen
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Beitrag von steffen »

Hallo Dietmar,

auch ich habe aus sicherheitsgründen einigen leuten von reisen abraten müssen welche ins murle-gebiet führen. von äthiopien aus soll es machbar sein. durch den südsudan würde ich da momentan eher nicht runter wollen. in "vorbereitung" der wahlen scheinen sich einige gruppierungen positionieren zu wollen.
ich will im februar/märz in die nubaberge. mal sehen wie es dann dort aussieht. abyei ist ja nicht so weit weg und die spla ist dort recht präsent. und öl ist immer ein guter grund um lokale stärke zu demonstrieren.

wahrscheinlich muss ich dann doch eher im norden bleiben.

danke für deinen bericht
steffen

dietmar.peter
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Beitrag von dietmar.peter »

Hallo Birgitt,
danke für Deine Replik auf meinen aktuellen Bericht: Du hast es schon richtig éingeschätzt- deshalb habe ich von Lebensgefahr gesprochen und nicht von allgemeinder Gefährlichkeit.
Wer sein Leben nicht riskieren will, sollte von einer Reise in den Südsudan absehen -der Tod fährt immer mit!
Ich selbst habe dieses Jahr während der Fahrt erstmals nach 44 Afrika-Fahrten Bedenken bekommen, eine weitere Reise dorthin zu unternehmen, um nicht mein Leben zu verlieren.
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Mich beunruhigen nicht so sehr die gewaltsamen politischen Auseinandersetzungen und die ständigen Stammeskämpfe, bei denen in diesem Jahr bereits so viele Tote zu beklagen sind. Denn sie finden lediglich in ganz bestimmten Regionen statt, in die der Reisende wegen der außerordentlich schlechten Pisten sowieso nicht hinkommt.
Nein- Angst machen mir die Banditen, die sich sicherlich auch aus den Reihen der "Viehdiebe" rekrutieren, die im Busch leben und keine Gelegenheiten haben, an moderne Zahlungsmittel, wie Geld, zu gelangen.
Auch sie haben von der "anderen Welt" gehört und auch etwas gesehen, in der sich nicht alles um Rinder dreht, lebenslang in cattle-camps eingebunden, geboren, gewachsen, gelernt, geliebt, geheiratet... Rinder, denen man sein Leben schenkt, ihren Namen erhält, sie pflegt, schmückt und für sie immer da ist, sondern wo es Geschäfte gibt, in denen Kleidung, Nahrungsmittel und Alkohol zu kaufen gibt.. der Einzug von Fernsehgeräten in Bars bringt einen besonderen Reiz...!
Gleich neben dem Zoll in Narus (Grenzstation) verkauft ein Kenianer alles, was das Herz begeht!
Meistens sind es junge Leute, die oft bis zu dreihundert Rinder dem Brautvater zahlen müssen, um heiraten zu können, die auch dort kaum jemand hat. Immer wieder wurden wir gefragt, wieviel Rinder wir in Deutschland zahlen müssen, um heiraten zu können - Unglauben und Kopfschütteln wurde uns entgegengebracht, wenn wir unsere Lebenssituation schilderten.
Die großen Pisten von der Kenia-Grenze nach Juba und von dort nach Bor mit ihrem LKW-Verkehr wecken Begehrlichkeiten des modernen Lebens- und die Chance der Banditen, ertappt zu werden, ist denkbar gering-
können sie doch schnell in den wenig besiedelten buschbestandenen Gegenden untertauchen.
Solange kaum Ordnungskräfte vorhanden sind (und wenn ja, dann haben sie keine Fahrzeuge), wird das Problem noch lange bestehen bleiben.
Wie die Ereignisse auch in abgelegenehen Gegenden zeigen, haben die "Alten" kaum noch etwas zu sagen, Zusagen und Abkommen werden immer wieder unterlaufen.

Gerade die Gebiete entlang der Kenia-Grenze werden jährlich wegen der Viehdiebstäle von Turkana (Kenia), Karamajong (Uganda) und Toposa (Südsudan) unsicher gemacht.
Dazu kommen im Süden Südsudans- entlang der Uganda-Grenze- und dann drüben im Westen, die Übergriffe der LRA (Lord Resistance Army), die, wie berichtet, in Dörfer eindringen und wahllos Menschen erschießen.
Hier baut sich auch eine Opposition auf gegen die SPLA, die überwiegend von Dinka beherrscht wird.
Die Strecke Wau-Tambura-Yambio sollte keinesfalls befahren werden, soll doch die LRA immer noch Headquater in Yambio haben und die Piste kontrollieren.
Die in diesem Jahr stattgefundenen Auseinandersetzungen zwischen Lou-Nuer und Murle mit den hunderten von Toten fanden in einem Gebiet statt, daß lediglich von der Piste Bor-Malakal durchzogen ist (bis Ayod sind wir gefahren). Das große Dreieck zwischen Bor-Ayot-Waat-Pibor ist mangels Pisten sowieso nicht befahrbar.
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Die Gefährlichkeiten konservieren die "letzte Wildnis Afrikas" und werden Touristen noch ein paar Jahre fernhalten!

Wer cattle-camps der Dinka bei Kongor, Paliau und Panyangor oder bei den Mandarin zwischen Tali und Mundari Buma besucht hat, wird stigmatisiert sein von der Freundlichkeit der Menschen und der uns so fremd gewordenen Kultur ihres Seins als Rinderhirten, daß ein Wiederkommen bereits vorprogrammiert ist!
Menschen, die mit ihren Tieren harmonisch zusammenleben, sie pflegen, schmücken und hätscheln und nicht aufhören, deren Schönheit in Liebesliedern zu preisen, zeigen uns eine Welt, die wir nur behutsam betreten sollten, um sie noch lange zu erhalten!

Trotz allem werden wir im Dezember wieder starten-vielleicht seid ihr in der Nähe.
Gruß
dietmar
Zuletzt geändert von dietmar.peter am Mo 14. Sep 2009, 20:00, insgesamt 1-mal geändert.
Dietmar Peter

steffen
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Beitrag von steffen »

Hallo Dietmar,

deine Erlebnisse und Empfindungen bei den Besuchen der Locals und Ihrer traditionellen Lebensweise kann ich sehr gut nachempfinden. Für uns Stadtmenschen ist das immer wieder ein beeindruckender Rückgriff in eine Lebensweise die von uns irgendwie bewundert wird, das sie heute überhaupt noch möglich ist. Als Archäologe kenne ich im Sudan einiges an Kulturen (z.B. Kerma) welche auch einen -für uns unvorstellbaren- Rinderkult betrieben.
So traurig es ist, dass Krieg und Gefahr dazu führen, dass ganze Gebiete nicht wirklich zugängig sind, manchmal ist es aber ein Weg um bestehendes zu erhalten. Bei den Nuba hat das leider nicht geklappt. Aufgerieben zwischen Islamisierung, Krieg und Vertreibung und Hilfsorganisationen mit christlichem Background (bitte nicht falsch verstehen) ist Vieles an Ursprünglichkeit verloren gegangen.
Letztes Jahr hatte mich ein befreundeter Hubschrauberpilot der UN davon unterrichtet, dass mittlerweile im Südsudan wieder größere Elefanten- und Giraffenherden zu sehen sind. Er war schon viele Jahre dort eingesetzt, hat aber erst letztes Jahr wieder diese Herden aus der Luft sehen können. So makaber das klingen mag, scheint aber auch hier der Krieg Habitate zu erhalten.
Deine von Dir beschriebenen Banden aus den unteren Schichten sind ein Problem, welches sich durch alle Kriegsgebiete zieht. Mir macht aber deutlich mehr Sorgen, wie die politischen Hintergrundstrippemzieher agieren. Kiir lässt mal so nebenbei anklingen, dass eine Spaltung des Sudan besser sei als eine beibehaltene Zusammenschluss.
Politische Analysen gehen davon aus, dass der Sudan potentiell in 5 Bereiche zerfallen wird. Nord, Süd, Ost, West und Zentrum um Khartoum.
Und die Leute die jetzt an der Macht sind bzw. kurz davor, agieren sehr intensiv um sich und ihre Interessen in Stellung zu bringen. Diese Leute nutzen dann die "einfachen" Banditen um aus dem Hintergrund aktiv sein zu können. Und der speziell in jüngster Zeit immer wieder beschworene Clanzusammanhalt wird für die "dumme" Masse als Ersatzreligion beschworen. Die Globalplayers sind dann noch eine ganz eigene Diskussion wert.

Nutzt also die Zeit, solange es noch möglich ist dort sein zu dürfen.

In diesem Sinne
Steffen

PS: das Interview von Kiir und vor allem die darauf aufbauende Diskussion findet ihr unter:
http://www.sudantribune.com/spip.php?article31786

dietmar.peter
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Beitrag von dietmar.peter »

Hallo Steffen,

ich danke Dir sehr für Deine sachkundigen Anmerkungen und kann dem nur in vollstem Umfange beitreten.
Sicherlich berührt den Bayern mit Landwirtschaft die Begegnung mit ursprünglich lebenden Völkerschaften nicht so sehr, wie uns Stadtmenschen- möchte jedoch die Software in uns nicht völlig beiseite lassen, das archaiische Muster, das in uns noch nicht ganz verloren gegangen ist: die plötzliche Verbundenheit, die wir empfinden, wenn wir die Welt des Ursprünglichen betreten. So lange ist es noch nicht her, daß wir in den gleichen Gegebenheiten gelebt haben.
Ich fühle mich spontan sehr wohl und geborgen beim Kontakt mit ursprünglichen lebenden Menschen, die fast in Symbiose mit ihren Rindern leben.
Deshalb beneide ich Dich auch, daß Du von Berufs wegen auf der Suche nach dem Ursprünglichen bist!"- und ich es nur teilweise mit dem touristischen Auge erfassen kann.
Sicherlich nicht auf dem Friedhof von Kerma, aber bei Deinen weiteren Grabungen in den letzten Jahren, wirst Du teilweise Strukturen entdeckt haben, die Du auch heute noch dort
vorfinden kannst…
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Was können wir tun, damit wir nicht in ein paar hundert Jahren durch Grabungen das wieder entdecken werden, was wir heute bewahren könnten!
Mit welcher Gedankenlosigkeit nationale Regierungen in Afrika (und nicht nur dort) nicht nur ihre sondern unser aller Welt zerstören, ist erschreckend!
Mit Entwicklungshilfe ist heute jeder Unsinn zu machen!
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Sie planen im Südsudan „Städte“ zu bauen, Straßen bauen sie ja schon jetzt durch die letzten entlegenen ursprünglichen Gebiete:
die Äthiopier planieren bereits in der Gegend von Dima eine Piste nach Boma und die Chinesen haben Kontrakt über die Weiterführung durch das Toposa-Gebiet nach Narus Straßen verbinden nicht nur, sie zerstören auch!
Das alles wird man nicht verhindern können- auch unsere Demokraten haben uns "Europa" oktroyiert, was keiner von uns haben wollte!
Im Südsudan hat man wenigsten 2011 die Möglichkeit , sich zu entscheiden. Daß Präsident Kiir nun die separate Lösung favorisiert, war vorauszusehen, hat er doch Dr. Riek Marchar an seiner Seite, der mit
seiner „Nasir-Fraktion“ schon immer die sozialistische Lösung für ganz Sudan von Dr. John Garang torpediert hatte. Ich habe auch keinen getroffen, der das anderes gesehen hätte –die Historie spricht einfach dafür.

Aber das nützt uns alles nichts! Wen interessiert es denn schon wenn tausende Ngok Dinka aus der Gegend um Abyei vertrieben wurden, um an das Erdoel heranzukommen, in Angesicht des Irak-Krieges? Was sind denn schon ein paar Rinderhirten, die gar nicht mehr in das System passen!

Dein Satz hat vollkommene Richtigkeit: „Nutzt also die Zeit, solange es noch möglich ist dort sein zu dürfen!“
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Ich habe es verfolgt, daß in den swamps Rückzugsgebiete der Tierwelten sind und große Herden von Antilopen und Elefanten den jahrzentelangen Krieg überleben konnten.
Oben bei Shambe am Nil (dort ist ein GTZ-Mitarbeiter und macht in Fischzucht)
Von Elefanten im Busch habe ich auch bei den Mundari um Tali erfahren.

Sicherlich gibt es dort noch viel Unentdecktes –was die Gefährlichkeiten im Lande noch lange Zeit konservieren werden.

Wir Traveller müssen uns auf Informationen vor Ort verlassen können –in einem Land, daß
seine eigenen Leute noch nicht schützen und wo fast jeder jeden umbringen kann ohne Gefahr zu laufen, von staatlichen Institutionen verfolgt zu werden.

In diesem Jahr hatte der „Buschfunk“ vollkommen versagt:
plötzlich erscheinen ein paar hundert Bewaffnete und machen alles platt.
Bist Du vor Ort, kann es Dich auch treffen!

Ich bin im Februar von Bor hoch nach Panyangor gefahren, um weiter nach Malakal zu gelangen. In Panyangor packte mich die furchtbare Angst, konnte nachts nicht mehr schlafen und entschloß mich nach drei schlaflosen Nächten wieder umzukehren!
In Bor wieder zurückgekommen, lachte mich der Manager von „Liberty-Hotel" fast aus -Mr.Bol, ein Nuer, der die totale Sicherheit bis hoch nach Malakal beschwor.
Nach viel Bier beschlossen wir erneut hoch zu fahren.
Wir sind dann bis Ayod (Nuer) gefahren –ca. 80 km vor Malakal –kein Hinweis auf Gefährlichkeiten: dabei sind zur gleichen Zeit dort heftige Kämpfe ausgebrochen, wobei 50 Tote zu beklagen waren. Eine Intuition- begleitet von 45 Grad, grausiger Piste entlang des Jonglei-Kanals und teure zeitraubende Flußfähren über den Sobat-River und einem Nilarm- hinderten mich, weiterzufahren und fuhr zurück auf dem Damm vorbei an Duk-Padiet über Pokdab nach Panynagor.

Der Governeuer von Pokdap vermittelte Sicherheit –die gemeldet Schießereien seien "weitab im Busch"!

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Die ständige Lebensgefahr konkretisierte sich in diesem Jahr besonders:

Janauar 2009
etwa zur gleichen Zeit attackierten Murle in der Nähe von Pokdap den LKW eines Händlers und erschossen 11 Menschen

05. bis 12. März 2009
die großen Auseinandersetzungen zwischen Murle und Lou Nuer begannen als Revanche
auf Angriffe der Murle im Januar mit Diebstahl von tausenden Stück Vieh in Akobo-county.
Zwischen dem 05.03.-12.03. attackierten tausende bewaffnete Luo Nuer 17 Murle Nieder -
lassungen in Pibor-county, töteten 453 Männer, Frauen, Kinder und entführten mehr als 120
Frauen und Kinder. Am 08.03. wurde der Ort Likwongole bedrängt, Viehbestände geraubt, Hospital, Shops, Verwaltungseinrichtungen ,NGO-Office zerstört.
6.000 Murle flüchteten nach Pibor-Town.
Bei den Angriffen wurden Speere, automatische Waffen und Granatwerfer verwendet.
240 Lou Nuer wurden getötet, viele durch Speere, Durst und Erschöpfung.
18. April 2009
attackierten im Gegenzug hunderte bewaffnete Murle 13 Niederlassungen der Lou Nuer in Akobo-county, brannten 16 Dörfer nieder, töteten mehr als 250 Menschen und entführten 30 Kinder. Insgesamt flohen im Zuge der Auseinandersetzungen 26.000 Menschen nach AKobo und Pibor.
08. Mai 2009
eine Gruppe Lou-Nuer attackierten in der Nacht das Jikanany-Lou Dorf Tor Kech und töteten über 40 Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder.(31 Frauen, 13 Kinder, 4 Männer –
Verwundete: 24 Frauen, 18 Kinder, 3 Männer)
18. Mai 2009
Murle attackierten 3 cattle-camps der Lou-Nuer in Uror-County, Jonglei State: 27 Menschen wurden getötet und 34 verletzt- zwischen 15.000-20.000 cattles wurden gestohlen.
zwischen 31. Mai und 10. Juni 2009
wurden 22 Tote gezählt in tribel clashes zwischen Jur tribe von Wulu county und Dinka Agar
12. Juni 2009
ein Militär-Konvoi bestehend aus 30 Lastkähnen beladen mit UN-Lebenmittel zur Versorgung von 19.000 geflüchteten Lou-Nuer um Akobo wurde auf dem Sobat-River von Jikanany-Lour überfallen, nachdem er Nasir passiert hatte kenterten 3 Boot und raubten 700 t Getreide, 16 Boote wurden nach Nasir zurückbeordert, 11 blieben verschwunden-Hunderte sollen getötet worden sein. 40 SPLA-Soldaten und Bootsbesatzungen wurden getötet.
02. August 2009
Murle attackierten nahe Akobo Fischerdörfer der Lou-Nuer und erschossen 180 Menschen -Frauen, und Kinder.
Der Untersuchungsausschuß stellte ua. fest, daß Frauen und Kinder bei lebendigem Leibe verbrannt worden sein-
28. August 2009
letzlich wurden 43 Tote und über 60 Verwundete gezählt als Lou-Nuer Dinka in Wernyol in Lith Payam/Jongleis Twic East county) überfielen.
05. September 2009
in Malakal/Upper Nile Region wurden 25 Menschen getötet nach schwerbewaffneter Shilluk-Attacke.
20. September 2009
tausende von Lou-Nuer überfielen den Dinka-Ort Duk Padiet nahe des Jonglei Kanals.
insgesamt wurden 160 getötet, darunter 22 SPLA Soldaten-260 Hütten wurden niedergebrannt.
In der Gegend wurden 24.000 Menschen vertrieben, hauptsächlich aus Panyangor und Kongor
02. – 5. Oktober 2009
trotz eines Friedens zwischen den Stämmen aus dem Januar 2008 wurden 42 getötet, 70 verletzt und 8.000 vertrieben bei Kämpfen zwischen Mundari und Dinka Bor.
Die Piste Juba-Bor wurde gesperrt. Ein Bus wurde beschossen zwischen Mugala und Gemeza und 3 Passagiere erschossen und 9 verwundet.
20 Mundari Dörfer wurden niedergebrannt.
Grund der Kämpfe soll angeblich gewesen sein, daß die Dinka Bor ihre Rinder in ein Erdnußfeld der Mundari getrieben haben sollen.
Ein Bekannter, der in Bor eine Baustelle leitete, berichtete am 30.10.2009:“ Die Straße wird ständig von Militär-Konvois befahren, aber es geschehen fast jeden Tag Angriffe auf zivile Transporter. Gestern sind offenbar zwei Leute aus Uganda erschossen worden. Überhaupt geben die Tageszeitungen oft die Situation nicht korrekt wieder. Die Zahl der Opfer zwischen Mundaris und Dinkas betrug vermutlich mehrere Hundert bzw. Tausend. Es sind mindestens 50 Dörfer zerstört worden. Es gab so viele Tote, daß die Leichen in den Nil geworfen worden sind. Selbst auf die andere, westliche Nilseite ist der Konflikt hinübergeschwappt.“
Ich bin die Strecke insgesamt vier Mal gefahren- besonders auffällig war die große Konzentration von Militär entlang der 200 km langen Psite.
Diese Auflistung (sudan.tribune und Human Right Watch entnommen) stellt nur die Höhepunkte der Stammeskonflikte zusammen, bei denen in diesem Jahr ca. 2.000 Tote zu beklagen waren und ca. 180.000 Vertriebene.
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Insoweit gibt es jetzt und für längere Zeit keine Möglichkeit mehr, Jonglei State –den größten Staat Südsudans- gefahrlos zu bereisen- von Juba über Bor und hoch nach Panyangor und entlang des Jonglei-Kanals nach Ayod und Malakal zu fahren.

Aber auch die Piste von Kenia nach Juba, also von Lokichogio –Nadapal-Narus-Kapota-Torit- ist weiterhin nicht ungefährlich.
Am 22. August 2009 stahlen Toposa den Turkana ca. 1000 Stück Vieh und erschossen 4 Turkana. Als dann am 23. August 2009 Kenia Polizei die Verfolgung aufnahmen, wurden sie von Toposa überfallen, wobei ein Poli-
zist, dessen Fahrer und ein Offizieller getötet wurden.
Am 15. und 16.10.2009 eröffneten bewaffnete Toposa das Feuer auf Armee-Baracken im Umkreis von Nadapal/Grenzstation und töteten 16 kenianische Soldaten
Weiter wurden im Oktober 2009 zwei Fahrzeuge der GTZ beschossen.

Wir Traveller können uns in der Nähe dieser Gebiete nur mit höchster Vorsicht bewegen.

Die Ereignisse zeigen eindrucksvoll ,daß der jahrzehntelange Bürgerkrieg trotz des Friedensschluß 2005 sein Ende noch nicht gefunden hat.

Wenn Du sagst, daß es von Äthiopien ginge, würde ich dringend davor ab-raten, ohne Formalitäten /d.h. ohne Einreisevisum) von dort in den Südsudan einzureisen.
Ich war ja zweimal in Boma, was zum Pibor Couty gehört. Pibor ist der Hauptort des Murle-Stammes.
Was möglich wäre, von Ratt (in der Nähe von Dima) nach Boma zu fahren und sich dort bei der SPLM/A zu melden. Das sind vielleicht 80 km, sehr
schmale Piste durch Hügelland, die bei Regen unpassierbar ist (und es regnet in Boma fast täglich –schwere Gewitter und Regen, der von den
hohen äthiopischen Bergen herüberkommt). Die Strecke ist nicht befahren
und der Akobo-River ist zu durchqueren, der bei jedem Regen unpassierbar anschwillt.
Weiter nach Pibor gibt es eine Fahrspur, die Gegend ist von mehreren Wasserläufen durchzogen.
Zwei Landcruiser, die wir im Februar in Boma trafen wollten nach Akobo und mußten dann aber nach 120 km umdrehen, da die Gegend überflutet gewesen sei -und das in der Trockenzeit!
Der Officer der SPLA (ein Murle) ist ein sehr netter Mensch, der uns sogar seine Sat.Tel.No. gegeben hat. Er würde uns auch zwei Bewaffnete mitgeben-wobei die Strecke, abgesehen von den Wasserläufen keine besonderen Gefährlichkeiten aufweisen würde. Aber 200km sind dort sehr lang, ohne jeglichen Verkehr!

.Ansonsten kommst Du nur, wie von uns im Januar/Februar geplant gewesen, von Bor aus nach Pibor. Jedoch sínd die 200 km nicht nur auf Grund des katastrophalen Pistenzustandes als auch wegen der Gefährlichkeiten nicht zu packen- ich kann es jetzt auch nicht mehr versuchen, da die Strecke auf Grund der Spannungssituation zwischen Murle und Lou-Nuer bis auf weiteres gesperrt ist!

Für Deinen Nuba-Trip alles Gute! Da musst Du wohl nichts befürchten, ist ja alles in der Einflußsphäre von Khartoum.
Wir waren vor ca. 22. Jahren, kurz vor Aufflammen des Bürgerkrieges dort, in Fugor und Kau und haben dort noch traditionell lebende Nuba vorgefunden, so, wie es Leni beschrieben und in ihren Büchern gezeigt hat. Sind dann aber verhaftet und nach Kadugli gebracht und dann in die Zentralafrikanische Republik ausgewiesen worden.
Heute sieht es dort wie fast überall in Afrika aus –die T-Shirt-Kultur hat sich breitgemacht.

Beste Grüsse
dietmar
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PS. am 28.12.2009 starten wir nach Nairobi und dann wieder nach Südsudan-mit schwerem Herzen- angesichts der vielen unschuldigen Toten!
Zuletzt geändert von dietmar.peter am Fr 23. Apr 2010, 20:08, insgesamt 11-mal geändert.
Dietmar Peter

schu achbar ?

Beitrag von schu achbar ? »

Möchte mich hier mal ausdrücklich für Dietmars Beiträge bedanken.
Das ist für mich wirklich das Direkteste u. Fundierteste was man als Info über diese entlegene Region bekommen kann.

ulliauswien
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Beitrag von ulliauswien »

ganz toller bericht , ich war da vor 20 jahren, und da war es noch ganz anders- friedlich, freundlich, aber da war ja die moderne kommunikation noch nicht erfunden, und die einfachen menschen im busch hatten keine ahnung wie es in der westlichen welt aussieht. jetzt kommt jeder buschmann mal an so einer sat-schüssel vorbei, und will halt auch alles haben was da gezeigt wird.....
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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Hallo Uli,

war gerade auf deiner Homepage stöbern :-) http://www.cookiesound.com/
Schöne Bilder. Du hast auch ein besonders gutes Auge für das richtige Motiv.

Grüsse
Alexander
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ulliauswien
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Beitrag von ulliauswien »

danke!
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Birgitt
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Beitrag von Birgitt »

dietmar.peter hat geschrieben:am 28.12.2009 starten wir nach Nairobi und dann wieder nach Südsudan-mit schwerem Herzen- angesichts der vielen unschuldigen Toten!
Hallo Dietmar,

wie war die Lage im Südsudan Anfang 2010?
Wart ihr dort?
Wenn ja, wo genau wart ihr?

Gruß
Birgitt

dietmar.peter
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Weiterhin Lebensgefahr bei Reisen in Südsudan 2010

Beitrag von dietmar.peter »

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Die vierte Fahrt nach Südsudan in der Zeit vom 15.01.2010 bis 28.02.2010 von Kenia aus war belastet von den Unsicherheiten des vorigen Jahres mit seinen 2.000 Toten in Jonglei und den noch Anfang Oktober 2009 ausgebrochenen Konflikt zwischen Dinka und Mundari,
der Hunderte von Toten forderte und ca. 50 niedergebrannte Dörfer hinterließ und der nicht nur die Sperrung der einzigen Piste nach Bor/Jonglei (von Juba aus) tagelang verursachte und danach unsicher machte, sondern auch auf die westliche Seite des Nils übergriff auf das Stammgebiet der Mundari (Central-Equatoria).

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Mundari in Golo cattle-camp nahe Mundari-Boma/Eastern-Equatoria

Kenia zeigte sich Ende Dezember 2009 mit viel Regen, der nicht nachlassen wollte. Schnell ging die Fahrt hinauf nach Lokichoggio, das immer mehr unter dem Rückzug der Hilfsorganisationen leidet, die nun seit dem Frieden in Südsudan im Jahre 2005 nach und nach sich in Juba (wegen der zentralen Lage) angesiedelt haben.

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Turkana-Frau nahe Lodwar/Kenia

Weiterhin ist die kleine Piste zur südsudanesischen Grenze in Nadapal höchst gefährlich, da mit Überfällen jederzeit zu rechnen ist, ob man diese nun den Toposa oder den Turkana zuschreibt, macht die Situation nicht sicherer.

Jedenfalls hat sich nun die kenianische Polizei/Militär bis 2 km vor der Grenzstation Nadapal angesiedelt und dort bereits zwei feste Unterkünfte errichtet.
Kenianische und südsudanesische Sicherheitskräfte wollen nun versuchen gemeinsam die ständigen Konflikte zwischen Toposa und Turkana zu unterbinden.
Bis dorthin patrouilliert ein Militär-LKW mit einer Vielzahl von Soldaten. Nur zögerlich erwidern die abgesessenen und sich im Busch verteilten den Gruß- der Job ist äußerst gefährlich!
Erst vor drei Wochen, am 14.02.2010 war ein Militär-Konvoi dort beschossen worden, wobei zwei kenianische Soldaten getötet und sechs weitere schwer verwundet worden sind.
(auch newsudanvision, v.15.02.2010)
Darauf machte mich erst auf der Rückfahrt ein LKW-Fahrer aufmerksam, der mich auf der Piste unter einem schattenspendenden Busch stehend heranwinkte und mich aufforderte, weiterzufahren, denn die Gegend hier sei sehr unsicher. Wir packten Konserve und Tusker-Bier zusammen und fuhren die drei Kilometer nach Lokki, ohne den LKW nocheinmal zu sehen.

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Auf Piste Kapoeta-Torit/Eastern-Equatoria

Wer nach Südsudan fährt, muß sich über die Gefahren bewusst sein. Urlaub in „Bürgerkriegsgebieten“ sollte man unterlassen –das Risiko ist nicht einzuschätzen!

Die Grenzformalitäten waren schnell getan: irgendwie nahm man mir die obligatorischen 50 $ Kfz-Versicherung ab (da die „yellow card“ im Südsudan nicht gelte) und dann noch einmal 200 $ für irgendeine „Straßenbenutzungsgebühr“
In der „Berlin-Bar“ gleich nebenan spülten wir die erlittenen Ängste und den Ärger über die verlorenen 200 $, die sicherlich in der Tasche des Immigration-officers landeten, mit einigen halben Litern kühlem Bier hinunter, aber auch um die Ängste der Weiterfahrt etwas in den Griff zu bekommen.

Wir waren froh, als wir nach 30 km in Narus bei der catholic-mission wieder Unterkunft fanden. Zum Bier einen Happen essend saßen wir gegen 17 Uhr am Auto als plötzlich fünf, sechs, sieben Gewehrschüsse herüberhallten, dort drüben von der Schule in 200 m Entfernung. Ich sprang auf –„schnell hinter den Container“ schrie ich im Aufspringen Waltraud zu und im Nu waren wir die sechs, sieben Meter nach hinten gerannt- als mit lautem Zischen eine Granate in fünf bis zehn Metern durch die Büsche an uns vorbeischoß. „Schnell in den Container!“ , der mit seinen dicken Schamottsteinen eingemauert besten Schutz vor Einschüssen gab. Nach Sekunden der Ruhe, die die Fassungslosigkeit dem Menschen auferlegt, hob ein kreischendes Schreien an, das dem Schock luftmachte- ganze fünf Minuten lang.
Es war bei der Mädchenschule der Mission, dort drüben auf der Anhöhe, wo sich dann der Ort über den Hügel hinuntersenkt in die weit mit Toposa-Dörfern bestandenen Ebene.

Stumm standen wir mit den beiden Schwestern- Agnes und Betty - Mandela kam dazu und warteten auf Informationen. „Wenn das mal aufhört!-sagte Betty,“ nicht lange her haben Murle dort Kinder geraubt, Mädchen und Jungen – Schutz gibt es nicht!“ Überwiegend stand aber die Überzeugung, daß Provokateure aus Khartoum bezahlt, die anstehenden Wahlen und das Referendum stören wollten, um sichtbar zu machen, daß GOSS (Government of SouthSudan) nicht in der Lage sei, die Sicherheit im Lande zu gewährleisten. Abends wurde erzählt, daß Militär einem Toposa-Mann einen Stock wegnehmen wollte, den sie als Waffe angesehen haben –dieser flüchtete dann mit seinen Freunden zu ihren Hütten dort drüben, holten die Gewehre und schossen in die Luft!

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Toposa-Frauen nahe Narus/Eastern-Equatoria

Noch abends fuhr ich den Wagen aus dem Schussfeld und einigermaßen in Deckung!
Am nächsten Tag saßen wir bei 38 Grad an der „Zebra-Bar“, tranken unsere Biere und sahen den bunten Toposa-Frauen auf dem kleinen Markt zu und mussten Hände der vorbeigehenden Toposa-Männer schütteln, die Weiße hier sitzend wohl auch noch nicht gesehen haben.

Zurück in der Missionsstation –wieder ein Schuß- hinter uns, da drüben! Ich lief zu Mandela nach vorne: „Das war doch wieder ein Schuß!?“–Mandela bestätigte- „aber das ist nicht gefährlich,- gerade vor zehn Minuten hat es von der anderen Seite geschossen! Da musst Du aufpassen, aber das jetzt war ein Freudenschuß –wir fahren gleich mal dorthin, macht Euch keine Sorgen!“

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Toposa-Frau nahe Narus/Eastern-Equatoria

Das erste Ziel sollte wieder einmal Boma/Eastern-Equatoria sein (270 km), von Narus über die Missionsstation Kuron (190 km), wo wir so oft schon eine schöne Pause einlegen konnten nach langer anstrengender und einsamer Fahrt vorbei an vielen Toposa-Dörfern mit ziemlich ursprünglichen Menschen, die weit hinten an den Bergen ziemlich abgeschottet leben von der Außenwelt. 1982 hatte Paride Taban, der jetzige Bischof dort, sein „Peace Village“ gegründet und dort als erster Zugang zu den Toposa gefunden. Auch die kleine Piste dorthin hatte er mit seinen Leuten durch die schöne Landschaft gezogen.

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Auf der Piste vor Nawiaporo/Eastern-Equatoria
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Jiy-Frau in Nawiaporo/Eastern Equatoria
Nach weiteren 78 km über Felder, Grasnarben und an den Bergen mit grüner Vegetation vorbei erreicht man Nawiaporo, ein wunderschönes Grasmatten-Dorf des Jiy-Stammes, das im vorigen Jahr total abgebrannt war und ist erstaunt über die wunderschön geschmückten Jiy-Mädchen und –Frauen, die auch im fünf Kilometer entfernten Boma unter einem schattigen Baum Feuerholz anbieten und sich hier kaum unterscheiden von den Murle-Frauen und –Mädchen, die oftmals schöne Schmucknarben im Gesicht tragen.

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Toposa-Frauen auf dem Heimweg nahe Kuron/Eastern-Equatoria

Im vorigen Jahr hatte ich Bilder von den Jiy-Mädchen mit, die ich ihnen geben wollte. Eifrig werden die Bilder von Hand zu Hand gereicht, viele wiedererkannt, aber die meisten von ihnen sollen nach dem Feuer in das ca. 80 km entfernte Cattle-camp gegangen sein, wohin kein Weg führt, der zu befahren wäre.

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Ankündigung der Missionsstation Kuron des Bishop Paride Taban

Die Toposa werden von den Murle ständig angegriffen. Paride Taban berichtete in Kuron einmal , daß der chairman der umliegenden kleinen Toposa-Dörfern ihn vor kurzem erzählt habe, seine Leute hätten Angst irgendwann alle von den Murle erschossen zu werden und er überlege, mit ihnen in das „Peace Village“ zu kommen, um dort Schutz zu finden. Er erwartete sicherlich eine waffenstrotzende Festung und ging sichtbar verständnislos, als Taban ihm erklärte, daß keiner hier eine Waffe habe –„unsere Waffe ist Gott!“

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Jiy-Mädchen in Boma/Eastern-Equatoria beim Holzverkauf auf kleinem Markt

Die Mission betreibt eine kleine Schule und Krankenstation, ein kleines Krankenhaus wird 10 km außerhalb in Richtung Boma gebaut.

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Jiy-Mädchen in Boma/Eastern-Equatoria

Vor zwei Jahren ereignete sich ein Unfall: ein elfjähriges Mädchen fiel von einem Traktor und schlug mit den Kopf auf die Steine und starb sofort. Taban war in Limule und von Wiclef dem Ältesten wurde die Verantwortung eingefordert. Der Fahrer flüchtete mit seiner Familie in die Mission, fürchtete um sein Leben. Abends kamen Toposa-Männer mit Waffen, Verwandte, Älteste, es entstand eine bedrohliche Situation. Wir zogen uns zurück nahe ans Auto. Wiclef berichtete, daß er Angst habe, er konnte sie nicht beruhigen. In der Frühe wollten sie wieder kommen. Wir blieben noch einen Tag. Wiclef konnte ein agreement erreichen, er hatte Verbindung zu Taban aufnehmen können.

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Jiy-Mädchen in Boma/Eastern-Equatoria

Es ginge um Geld, Entschädigung, -das Mädchen war auch einem Mann versprochen, der achtzig Rinder als Brautpreis gegeben haben will. Die Tote war bereits gleich in den kleinen Fluß geworfen worden, wie es die Sitte verlangt!

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Murle-Frauen in Boma/Eastern-Equatoria mit schönen Schmucknarben

Es fällt schwer, diese Welt der Stille und der so andersartigen liebenswürdigen Menschen zu verlassen und die Sehnsucht zurückzukehren, bleibt immer vorhanden.

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Jiy-Mädchen beim Baden in kleinem Bach

Der Himmel zeigt sich zunehmend wolkenlos, aber auch hier um Narus herum kann es Anfang Januar zur „kleinen Regenzeit“ kommen. Die Piste hoch nach Boma ist dann unpassierbar.

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Piste zwischen Kuron und Boma/Eastern-Equatoria

Wenn Du da steckst, kann es Dein Tod sein! Bedenken machen die Banditen aus den Reihen der Toposa, die ja entlang der Piste ihre Rückzugsgebiete haben. Immer diese verdammte Angst! Liegt wohl auch daran, daß man am Anfang der Reise noch allzu viel bedenkt , noch nicht abgeschliffen ist von den vielen gefährlichen Eindrücken der Fahrt - aber man muß die schwierigste Strecke einer Reise an den Anfang legen!

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Toposa-Frauen beim Wasserholen in der Nähe von Kuron/Eastern-Equatoria

Ich war mir unschlüssig. Wir bleiben noch eine Nacht und fahren morgen die 60 km nach Kapoeta nur um ein Bier zu trinken und ein paar weitere Toposa zu sehen. Hitze, Wellblech, ja das macht man mal, wenn die Angst keinen Ausweg mehr läßt. Jede Nacht Alpträume, aber wir entschließen uns auf der Rückfahrt doch nach Boma zu fahren. In Narus wieder angekommen zeigte ein metallisches Klirren einen Federbruch an: es waren die beiden 11 mm starken Haltefedern des Landcruisers !“Mein Gott, die brechen doch nie!“- jahrelang schleppe ich zwanzig Federlagen mit, aber diese nicht!- Na, daß gleich am Anfang! Mandela war in der Mission, Fahrer eines alten Unimogs von Kuron, der im vorigen Jahr beschossen worden war! „Mach Dir keine Sorgen, wir versuchen was zu finden.“ Nach einem halben Tag kamen sie mit zwei schweren Federstücken an, die nicht schlecht aussahen, abends waren sie nach schweißtreibender Arbeit eingebaut. Ende der Woche will er hoch nach Kuron, in Lokki noch Verpflegung aufnehmen –eine Gelegenheit mitzufahren! Nach viel Bier ob des großen Glücks, schlafe ich schlecht- Alpträume reißen mich aus dem Schlaf –beim letzten schlage ich um mich, beim Aufwachen, als der Schrei erstickte: schweißgebadet komme ich in die Wirklichkeit zurück- die Gedanken vernebelt, eingebunden in Verschlingungen und Aussichtslosigkeiten in dunklen Situationen, nein,!- nicht die Tür aufmachen, nein, nein, nein! Plötzlich stand er da der riesige Gewaltmensch mit bedrohlichen Gebärden!

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Boma-village/Eastern-Equatoria

Noch in dieser Nacht entschloß ich mich , nicht nach Boma zu fahren! Dass waren Zeichen: -der Federbruch, der Alptraum!

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Toposa-Frau auf dem Weg nahe Kuron/Eastern-Equatoria

Die Angst nach Boma zu fahren war nicht unbegründet: noch hatte das Unterbewusstsein die Erinnerungen aus dem vorigen Jahr nicht begraben.

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Toposa-Familie auf dem Weg weit vor Kuron/Eastern-Equatoria

Wir starteten auf den bekannten Wegen. Schnell ging die Fahrt die ersten hundert Kilometer bis zu dem Berg, den man rechts umfahren kann, wie im Jahr davor. Ja, ich erinnerte mich!
Rechts herum, obwohl die Spuren über den Berg führten! Furztrocken, aufgewühlte kiesige Erde durchschnitt eine mit Gräsern bestandene Ebene, etwas mehr Gas gab der leicht stockenden Fahrt Aufwind, doch dann plötzlich, was war das, stockende Fahrt. dann plötzlich AUS!!! „Mein Gott, warum hier!“ Eingesackt mit dem hinteren linken Rad bis über die Nabe! Ein absoluter Schock! Mittags halb zwei, 40 Grad in einer Gegend, die ich bereits bei Fahrten davor gefürchtet hatte: fighting place zwischen Toposa und Murle, denn nach Westen öffnete sich eine weite nasse Grasebene, die ein Einfalltor der Murle gegen die an den Bergrändern in Osten siedelnden Toposa darstellte. Aus! Schluß! Ich wusste sofort, daß nur ein LKW mich hier rausziehen konnte! Ein absoluter Fahrfehler! Unverzeihlich! Sofort kommen die Gedanken an die nur vierzig Liter Wasser, was sind das schon in einer Gegend, wo vielleicht in zwei Wochen ein Auto vorbeikommt!? Vierzig kleine Tusker-Bier-Dosen waren auch noch da! Aber die Hitze! Vollkommen niedergeschlagen stehen wir um das Auto- was nun zuerst, ausräumen, graben, Sandbleche ab…?. Plötzlich- unten aus dem Buschwerk löst sich sichtbar eine Gestalt, ein Mann mit einem Gewehr, mit der bekannten olivgrünen Jacke und Hut, wie sie von Viehdieben etc. getragen werden. “Mein Gott, warum!“ Ich bin paralysiert, gehe ihm schweren Herzens entgegen- letztlich mit ausgestreckter Hand, die er ergreift und augenblicklich empfinde ich den Blick seiner Augen als positiv. Er spricht kein Englisch, gehen zurück zum Auto- wortlos! Er legt sein altes G-3-Gewehr hin und nimmt sich auch einen Spaten. Gemeinsam versuchen wir, die betonharte obere Sandkruste, auf der die linken Hinterfedern aufliegen, krümelweise abzustoßen.

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Toyota im Endzustand ca. 100 km nördlich Narus in Richtung Kuron/Boma/Eastern-Equatoria

Nach drei Stunden hatten wir zwei Sandberge unter dem Auto hervorgeholt, 15 Liter Wasser getrunken, und trotz Sandblechen die Aussichtslosigkeit unserer Arbeit gesehen,. Immer wieder kam mir die Idee, ihm das Gewehr wegzunehmen und ihn dann zu fesseln mit dem Klebeband- aber was dann? Könnte die Situation vielleicht unnütz verschärfen?! In knapp zwei Stunden ist es stockdunkel! Wir trinken ein Bier, Waltraud macht Essen: Lammgulasch mit Bratkartoffeln! Ich versuche ihm verständlich zu machen, daß er in der Nacht hier bleiben müsse- ich würde ihn bezahlen! Denn allein ohne Schutz können uns Toposa ausrauben und umbringen! Er isst, trinkt -und stimmt zu! „ 10.000 kSh pro Nacht- und wenn wir zehn Nächte hier liegen, sind daß 100.000,00 kSh, die ich zwar nicht hier habe, aber dann fahren wir zusammen zurück nach Narus!“ Schnell ist es stockdunkel –und wir sitzen unter einem kleinen Busch und horchen in die Nacht! Bleiben wir sitzen oder legen wir uns ins Auto?
Plötzlich ein Licht am Horizont, nein eine Taschenlampe. Er hat es bereits gesehen, prüft sein Magazin und lädt das Gewehr durch. Mit den Händen zeigt er, daß ich alles ins Auto räumen und die Türen schließen solle, macht Zeichen, ruhig zu sein –was wir ja schon waren! Das Licht muß ja nicht auf uns zukommen –kommt es aber! Ich höre Stimmen und mein Herz schlägt bis zum Hals. Und wieder einmal empfinde ich die ganze Erbärmlichkeit des Ausgeliefertseins! Mit Macht zwinge ich mich, die Worte von Sister Mary von catholic mission in Narus zu unterdrücken, als wir im Jahr davor auf dieser Strecke vor einer tiefen schlammigen Fahrspur zurückschreckten und umkehrten:“Gut, daß Ihr zurückgekommen seid, nachts hätten die Toposa ihre Gewehre geholt Euch ausgeraubt und umgebracht!“ - Es vergehen noch zehn Minuten –dann Frauenstimmen!-oder?!

Erleichterung! Doch -es waren auch Frauenstimmen! Keine Banditen! Und schon die Schritte und im Nu traten drei, vier Toposa-Frauen aus der Dunkelheit, leuchten uns an und setzten sich um uns auf den Boden. Er hatte schon ein Gespräch angefangen, als zwei Männer mit Gewehren herantraten. „Das ist mein Bruder, kommt weit her von einem cattle camp“, sagte der eine in gutem Englisch und nach einer Minute wusste er bereit von unserm Pech und den vereinbarten Deal. Ja, sie waren auf dem Weg nach Narus, „noch hundert Kilometer, sind schon drei Tage unterwegs und gehen in der Nacht!“ Ist das eine Erlösung! Wir unterhalten uns noch zwanzig Minuten, gebe ein Kilo Bonbon als Wegzehrung und als sie gegangen waren legten wir uns ziemlich erschöpft ins Auto und hatten eine ruhige Nacht.
Morgens fing ich wieder an zu graben, Kniee und Ellenbogen wundgescheuert! Gegen Mittag dann ein Brummen –Flugzeug oder Auto!? Er war nicht begeistert –Auto! Ich lief zur Piste und wartete: und tatsächlich zwei alte LKWs. Mandela war es mit seinem alten Unimog aus Kuron, der mich dann herauszog! Eine Erlösung, ich hatte wacklige Beine, und wir brachen ab, fuhren zurück nach Narus, um am Ende der Reise dann doch hoch nach BOMA zu fahren.


Am nächsten Morgen gibt mir Mandela noch eine Warnung mit auf den Weg: „Fahre von Kapoeta nach Torit nicht allein, Banditen –ständig passiert dort etwas auf der Piste. Häng Dich an einen LKW….!“

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Toposa_Mädchen hinter Narus/Eastern-Equatoria -schöne Handarbeit-

In Kapoeta, dem zweiten Ort mit vielen Toposa, die auch einen kleinen Markt bilden, können wir wieder am Hospital von DOT (Diocese of Torit) ungestört übernachten.
Muß das denn auch noch sein- die Strecke ist doch an sich nicht so gefährlich –bin sie so oft ohne Probleme nach Juba gefahren. Jetzt sind viele Toposa mit ihren Rinderherden dicht an der Piste.
Ich frage dort einen Fahrer, „Ja“ sagt er, „nicht ungefährlich ,da drüben, der Toyota in der vorigen Woche überfallen und ausgeraubt, frag John den Fahrer!“
Wir sitzen noch mittags in der Bar an der Kreuzung –kein LKW -kein Auto, das langsam fährt. Dann an der Tankstelle ein PKW: „Fahrt Ihr nach Torit?“-„Ja, halbe Strecke“-„Kann ich mich an Euch hängen?, aber Ihr seid zu schnell?!“-„Nein, wir fahren langsam-haben Gewehre dabei“ und zeigte hinunter vor die hinteren Sitzbänke.

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Piste Kapoeta-Torit/Eastern-Equatoria

Wieder dieser Magendruck, das Abtasten der Pistenränder, der Buschlandschaft, schwarze Gestalten im Busch mit Kalashnikov, erwidern keinen Gruß. Nach 30 km fahren sie links ab nach Chukudum, wo wir im vorigen Jahr waren. Die nächsten 100 km fahren wir dann alleine auf katastrophaler Piste und erreichen Torit bei untergehender Sonne, ein Ort, der sich in den letzten Jahren stark entwickelt hat.
Nach 130 km ist dann Juba erreicht, wo wir bei der GTZ wieder Unterkunft finden. Auch h ier läßt sich viel Bautätigkeit erkennen, die Piste von der Nilbrücke in die Stadt ist nun geteert, auch innerhalb der Stadt wird die Bautätigkeit vorangetrieben.

Das Militär (SPLA) führt ein umfangreiches Entwaffnungsprogramm durch. Während sie einen Ort durchkämmen versuchen sie auch von uns hin und wieder etwas mitzunehmen:
„Give money, give me beer!“ Ein beklemmendes Gefühl steigt auf, wenn sie oft betrunken mit ihren Waffen herumhantieren. „Wo wollen die denn entwaffnen,“ frage ich in Rocon zwischen Juba und Mundri einen Bekannten, „die Waffen verschwinden doch im Busch!“- „Die prügeln solange, bis sie herausgegeben werden oder der chairman bestätigt, daß derjenige keine Waffe hat“! Bei den Mundari im Mundari-Boma wurde mir das bestätigt!

Yirol/Lakes ist wieder ein Ziel, ein Ort, der jetzt von Juba aus mit einer schnellen breiten Piste an Terekeka (am Nil gelegen) vorbei in ein paar Stunden zu erreichen ist.

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kleine Piste von Rokon nach Tendilo/Central-Equatoria

Meine kleine Buschpiste, die ich bereits viermal gefahren bin- schlängelt sich von Rocon hoch nach Tendelo, Mundari-Boma, Tali und erreicht dann 25 km vor Yirol die breite Piste. Hier ist noch viel vermint, war doch diese Gegend heftig umkämpft bis hinüber nach Terekeka.

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Mundari-Mädchen nahe Mundari-Boma/Central-Equatoria

Bekannte in Mundari-Boma erklärten:“Vor zwei Monaten hättest Du hier nicht fahren können, ohne Dein Leben zu riskieren-aber jetzt ist alles o.k!“
Im Oktober 2009 hatten an der Strecke von Juba nach Bor Dinka ihre Rinder in ein Erdnußfeld der Mundari getrieben, die dann zu den Waffen gegriffen hatten.

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Mundari-Männer in Golo cattle-camp nahe Mundari-Boma/Central-Equatoria

Im kleinen NPA-compound in Yirol/Lakes finden wir wieder einen Platz für die Nacht, erfrischen uns im Ort noch mit einigen warmen Bieren und schlendern langsam vorbei an Gruppen von Dinka aus den nahen cattle-camps in ihren halblangen dunkelblauen Tuniken.
die Mädchen oft barbusig, aber immer öfter wird die pralle Weiblichkeit mit einem Überwurf aus den schönen bunten Stoffen, der Geschäfte verdeckt, überwiegend jedoch nur halb, mal rechts und auch mal links –ohne System.

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Dinka-Mädchen aus nahem cattle-camp in Yirol/Central-Equatoria

Plötzlich Trommeln, traditionell gekleidete Dinka treiben einige Bullen durch den Ort, um sie abends auf dem kleinen Markt vor unserem Platz zum Verkauf anzubieten. Zurück auf dem Platz drängen wir uns in den schmalen Schatten, den das Auto wirft.
Kurz vor 17 Uhr : zwei Schüsse in 50-100 m Entfernung, gleich hinter dem Zaun! Wir rannten hinüber und sahen hunderte von Menschen in alle Richtungen auseinanderlaufen, die in der Nähe eine Schar von Geiern aufscheuchte, die gespenstisch sich nach einigen Flugrunden auf einem Dachfirst niederließen.
Eine Gruppe lief zum kleinen Hospital und wartete am Eingang. Alles in Aufregung! Der Manager herrscht mich an, was ich gucke, ich solle zum Auto gehen!
Später zwei Hilux mit Polizisten und Soldaten, zwei Militär-LKWs folgten voller Soldaten.
Gedanken kommen, weiter zu fahren –aber bei naher Dunkelheit und der Gefährlichkeit der Strecke hinüber nach Rumbek/Lakes : reiner Selbstmord !
Abends kommen Gutgekleidete: der Governeur und seine Leute. „No problem, Ihr seid hier sicher –wir versuchen das aufzuklären und sagen Becheid!“
Mit gemischten Gefühlen legen wir uns ins Auto und schlafen schlecht.
Wir bleiben noch einen Tag, quälend vergehen die Stunden, der Generator des Ladens ist auch noch ausgefallen und läßt nur warmes Bier zurück. Bei 40 Grad Außentemperatur und 25 Grad Biertemperatur immer noch unterhalb der Körpertemperatur eine leichte Erfrischung!
Abends fällt ein Trupp Soldaten ein- bald stellt sich heraus, daß sie nicht wegen des Vorfalles hier seien sondern von Juba auf dem Weg nach Rumbek. Statt weiterzufahren, übernachten sie hier und liegen überall auf dem Gelände herum –verhalten sich aber ruhig!
Am nächsten Morgen fahren wir weiter und hören noch, daß der Täter im Gefängnis sitze.
Er soll einen der Dinka mit den Bullen auf dem Markt erschossen haben, Näheres war aber noch nicht bekannt.

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Dinka cattle-camp nahe Kongor/Jonglei

Die Strecke Yirol-Akot-Rumbek/Lakes ist von besonderer Gefährlichkeit, da die Dinka-Gruppen untereinander und insbesondere mit den angrenzenden Nuer verfeindet sind und es ständig Schießereien und Tote gibt. Vor Überfällen auf der Piste ist man nicht geschützt. Dies besonders nördlich der Piste (dieses Gebiet ist mangels Pisten nicht befahrbar) aber auch südlich, wo die Agar-Dinka immer wieder für Schießereien sorgen.
(die Piste die vor Akot hinunter über Wulu nach Mundri führt und schon oftmals wegen der Heftigkeit des Feuers durch die SPLA bei ihrem Einsatz gesperrt worden ist).
Die tribes der cattle camps zwischen Yirol East county und Yirol West county liefern sich laufend Gefechte im Rahmen des Viehdiebstahls.
Am 17.01.2010 gab es zwei Tote und eine unbekannte Zahl von Rindern wurde gestohlen.
(sudan.tribun v.10.01.2010)
Zwischen 26.02.-28.02.2010 gab es insgesamt 12 Tote und 24 ernsthaft Verwundete nach intensiven Gefechten.
Eine Woche vorher sind wir die Strecke von Rumbek kommend nach Yirol gefahren.
sudan.trinune v.21.04.2010 meldete 17 Tote bei Überfällen von Nuer in Yirol Ost-Bezirk bei einem Drei-Tage-Gefecht, bei dem ca. 1000 Rinder und 9 Kinder gestohlen wurden.

Oft gehen die Schießereien tagelang. Es ist äußert schmerzvoll für einen Dinka, wenn ihm Rinder gestohlen werden, nicht so sehr wegen des materiellen Verlustes, vielmehr wegen der Trennung von seinen geliebten Tieren, die ihn ein Leben lang begleitet haben und mit denen er fast in Symbiose im cattle camp gelebt, Liebe und Zuneigung für sie empfunden hat. Seine Rinder in den Händen von Fremden zu wissen, ist für ihn unerträglich –sie wieder zu erlangen –eine Herzenssache und moralische Verpflichtung!

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Dinka mit seinen Rindern auf dem Weg nahe Kongor/Jonglei

Die Angst liegt als ständiger Druck auf dem Magen, die Augen sind angespannt und nehmen jede Regung auf der Piste und daneben augenblicklich wahr. Schnell kommt der Durst und das Wissen um das Finden von Bier in Akot läßt ihn fast unerträglich werden.
An einem Check-point stehen zwei LKW aus Khartoum, hochbeladen, bringen Waren für Juba, warten auf zwei weitere.
Ein Fahrer kommt herüber und fragt:“Wie ist die Piste? Ist die Strecke gefährlich? Ist Militär entlang der Piste?“ Er hat sichtbar Angst –hier ist nicht vergessen, welche Grausamkeiten die arabs hier im Süden angerichtet haben…

Endlich Akot! Ein Kasten Bier steht in der prallen Sonne „Der Kühlschrank geht nicht mehr-kein Strom hier –vor vier Wochen, Anfang Dezember 2009 haben sie hier alles platt gemacht-kein Haus steht mehr, alles wurde niedergebrannt und zerschossen-Milizen,“ tribal solders der Nuer!
Ich gebe ein paar Flaschen aus und erfahre die ganze Geschichte: angeblich sollen zwei Milizionäre auf einem Motorrad fahrend ein oder zwei Dinka erschossen haben, die nicht schnell genug ihre Rinder von der Piste getrieben hätten. Daraufhin soll deren „Clan“ die Gewehre geholt und die Milizsoldaten im Ort angegriffen haben, die dann alles hier zerstört hätten.
Am 28.12.2009 wollten dann SPLA-Soldaten bewaffnete Zivilisten entwaffnen. Bei dem nachfolgenden drei Stunden Gefecht wurden fünf Soldaten und zwei Zivilisten getötet.
Gleich danach am 01.01.2010 wurde von bewaffneten tribes ein LKW mit Lebensmittel für Akot aus Rumbek kommend, überfallen und dreizehn Soldaten getötet und zwanzig andere wurden verletzt.
(auch sudan.tribun v.03.01.2010)
Am 16.01.2010 wurde ein GOSS-Auto von Bewaffneten vor Akot beschossen und der Bodyguard verwundet (sudan.tribun v.19.04.2010)
Zehn Tage danach sind wird die Strecke gefahren und waren immer froh einen Ort zu erreichen:

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in Dinka cattle-camp vor Yirol/Central-Equatoria an der Piste

Rumbek/Lakes ist da eine Oase, die der Erholung dient. Sehr dankbar sind wir der Don Bosco-Mission, auf deren großem Gelände wir schon oft herzlich empfangen wurden und einen angenehmen Stehplatz erhielten.
In der „Green View Bar“ bekomme ich Informationen von einen SPLA-Officer : er bestätigt meine Einschätzung über die Gefährlichkeiten im Lande und auf den gefahrenen Strecken. „Fahr nicht nach Shambe! Im Ort ist es sicher- aber von Yirol die 60 km sind höchst gefährlich wegen der Auseinandersetzungen zwischen Dinka und Nuer –die schießen aus dem Busch!“

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Kinder die Hörner ihrer Lieblingsrinder zeigend in cattle-camp nahe Mundari-Boma/Central-Equatoria

Die Piste nach Tonj/Northern Equatoria und dann nach Wau/Bahr-al-Ghazal ist äußerst schlecht, oft nur im ersten und zweiten Gang zu befahren –weite menschenleere Buschstrecke bei 40 Grad.
Auch diese Piste ist wegen der ständigen Schießereien zwischen den tribes von Rumbek Ost und Rumbek West und Tonji Ost sowie Tonji West und Wau Ost äußerst gefährlich!
Am 02.01.2010 attakierten Nuer tribes Dinka-tribes in Tonji Ost und stahlen ca. 5.000 Rinder. (sudan.tribun v.13.01.2010)
Letztlich gab es 139 Tote und 90 Verwundete!
Tonji erreicht man über einen langen Damm der durch ein weites offenes Grasland führt.
Der Ort ist nicht allzu groß und besteht noch überwiegend aus Tukuls in einer schönen Gegend, die Hauptpiste liegt angenehm wegen der großen Baumallee im Schatten.
Stehen kann man bei der Don Bosco Mission.

Von Tonji kommend ist man immer froh, wenn man lebendig in Wau angekommen ist!
Diesmal frage ich gleich beim „Riverside“-Hotel am Ortseingang hinter der Brücke am Fluß nach einem Stehplatz, den uns die italienische Managerin für zwei Tage kostenlos gewährte.
Das kleine Hotel ist schön gelegen und ist Treffpunkt von UN-Mitarbeitern und NGOs.
Ich war mir nicht schlüssig über die Weiterfahrt und hatte zunächst geplant, hoch nach Karthoum und über Äthiopien zurückzufahren, jedoch ist mir die Strecke, jedenfalls ab El Obeid bekannt und ich wollte eigentlich keinen Asphalt unter den Reifen haben.
Ich entschloß mich, weiter hoch zu fahren, und zwar nach Abyei/Southern Kordofan, das vor knapp zwei Jahren noch (also in Friedenszeiten) dem Erdboden gleich gemacht worden war.
Abyei der „Grenzort“ zwischen Nord-und Südsudan, dort, wo im Norden die Erdoelfelder anfangen und das Auswärtige Amt die Gegend immer noch als höchst gefährlich einstuft.

Die Piste nach Aweil/Northern Bahr-al-Ghazal ist breit und noch gut zu befahren und wir konnten dort bei catholic church sicher stehen.
Der große Ort hat alle Versorgungsmöglichkeiten und in der Mango-Bar (neben UN-Camp) gab es eiskaltes Bier unter großen schattigen Mangobäumen.
Die Weiterfahrt auf relativ guter Piste, zunächst durch weites Grasland, und dann durch weites einsames Buschland zeigte keine Schwierigkeiten auf.
Zunehmend muß an Checkpoints angehalten werden, wo aber lediglich Papiere kontrolliert werden.
Es ist ratsam, nicht nach 13.00 Uhr zu fahren, da dann oft die gesamte Besatzung daselbst angetrunken bzw. betrunken ist.
Hier bedarf es Erfahrung und das notwendige Geschick mit anstehenden Situationen umzugehen. Ich muß gestehen, daß mir auch einmal –vor Aweil- der Kragen geplatzt ist und ich heftig anfing zu schreien, als ein Typ in Zivil sich ins Wagenfenster hing und alkohlschwankend „Give me cloth, give me cloth….I am a officer!“ posaunte.
Als er dann eine Liste haben wollte, was ich alles im Auto und oben drauf hatte, platzte mir der Kragen (was man niemals machen sollte!) und fuhr fluchend einfach weiter.

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katholische Kirche in Abyei

Abyei war tatsächlich nicht mehr vorhanden, Soldaten zeigten die Richtung an, aber sichtbar wurde nichts.
Erst als ich fragte, erklärte man, das hier sei Abyei! Keine Häuser, aber niedergebrannte mit blauen Zeltbahnen bedeckt, Zelte, Bretterverschläge, Wellblechhütten, Gehöfte, kleine Geschäftte, ein Markt.

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Abyei village -zerstört im Mai 2008

Der „Grenzort“ zwischen Nord-und Südsudan wurde im Mai 2008 noch angegriffen von Misserya-arabs und es begannen tagelange Gefechte mit der SPLA, letztlich waren 100 Tote zu beklagen und 60000 Vertriebene.
Ich suchte die katholische Kirche, von weitem sichtbar in strahlendem Gelb!
Ja“, sagte Biong Kwol, der Pfarrer, der uns drei Tage lang einen sicheren Platz zur Verfügung stellte, „die Kirche haben sie stehen gelassen, aber alles andere gestohlen, die Glocke, das Kreuz, das Inventar, zwei Häuser niedergebrannt, 17 Menschen erschossen, die sich in die Kirche geflüchtet hatten, eine Rakete ist in das Dach des Lagerhauses eingeschlagen- alles mitgenommen, selbst die Fensterrahmen und die Türen“ –furchtbar! alle haben Angst, daß der Krieg wieder losgeht- alles spricht dafür!“

Er warnte uns, weiter nach Babanusa und Dilling/Southern Kordofan zu fahren, es gäbe Schießereien.
Selbst hier, 25 km entfernt, hätten sie vor drei Tagen 7 Polizisten erschossen! Dort, wo Ihr hergekommen seid!“ –„Vielleicht war es eine Revanche: im November 2009 hat die Security hier in der Nähe einen LKW aus dem Norden kommend mit 500 Gewehren für Aweil gestoppt und beschlagnahmt."
„Aber ansonsten ist der Weg frei nach Khartoum! Eine Delegation von uns war in der vorigen Woche gerade mit dem Auto in Babanusa und aus Aweil ist eine Delegation hoch nach El Nahud gefahren!Kein Problem mehr! Die Piste wird nach Norden besser!“

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im Innenhof der katholischen Kirche in Abyei -Raketeneinschlag in Lagerhaus

Die Umkehr viel nicht schwer! Trotz allem reizte nach wie vor Shambe/Lakes am Westufer des Nils und die Gegend dortherum, Jonglei State und Boma .Wir fuhren in Richtung Wau auf breiter neu gezogener Piste nach Gogrial/Warab und fanden hier einen Übernachtungsplatz bei medecins sans frontieres in ihrem kleinen umzäunten Platz. Da es noch früh war fuhren wir in den kleinen Ort und fanden bei einem Kaufmann kaltes Heinicken aus einem Kühlschrank, Männer saßen bei ihrem Tee, als plötzlich zwei Typen erschienen und fragten, ob das mein Auto sei. „Komm mit! Deine Papiere! Was machst Du hier! Öffne die Türen! Was ist da drin, was dort!“ Bereitwillig kam ich den Aufforderungen nach. „Was ist in den beiden großen Kisten? Öffne sie!“ In mir stiegen Aggressionen hoch, die sich explosionsartig entluden als der eine dann mich aufforderte, alles aus den Kisten herauszuschaffen und dort in das zerschossene Haus zu bringen. Bei über 40 Grad und in Ansehung des sich erwärmenden Biers begehrte mein Innerstes auf, wurde laut, schlug die Türen zu, schrie! „Ich bin kein Krimineller, daß Ihr mich hier vor allen Leuten wie ein solcher behandelt!“, und während der andere von ihnen beschwichtigend „ist gut, ist gut!“ sagte, ging ich schnellen Schrittes zu meinem Bier, das mittlerweile die Außentemperatur erreicht hatte.

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leere Piste zwischen Abyei/Southern Kordofan und Gogrial/Warrap

Am nächsten Tag nach 25 km am Eingang eines Ortes stoppte mich ein Polizist, „fahr links runter!“ und ich sah in das grinsende Gesicht eines der Typen von gestern. „Geh dort in das Zelt!“ Setz Dich!“ Dunkel, zwei Typen links und rechts. „Was willst Du hier“- „Ich bin visitor„“Was willst Du besuchen- was suchst Du! “-„Ich sehe mir das Land an“-„Was willst Du sehen?“ Warum?“ –Ich zeige das Road permit von GOSS- „Ich habe eine Erlaubnis von der Regierung, schau hier “visitor“ -akzeptierst Du die Erlaubnis Deiner Regierung?“ Die finsteren Gesichter erhellten sich nicht, forderten mich auf, raus zu gehen. Der grinsende Typ schwang sich auf sein Motorrad –„Folgen -zum Headquarter! Du wolltest uns ja gestern nichts zeigen!“ Ich ahnte nichts Gutes. Nach zwei Kilometern Einfahrt in den Innenhof der Station. „Warten- im Auto sitzen bleiben!“ Nach geraumer Zeit: „Dort in das Zelt!“ und nahmen auf einem eisernen Bettgestell platz, ohne daß der officer einen Blick an uns verschwendete. Jedoch war er freundlich bei Durchsicht unserer Papiere und des permits von GOSS, dankte und verabschiedete uns.

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Trommelnder Dinka-Mann inmitten seiner grasenden Rinder

Auf der ganzen Strecke kein Auto- weite Hartgras-Ebenen mit wenig Busch bestanden erreichten wir nach 120 km wieder Wau. In den nächsten Tagen waren Tonj-Rumbeck und Yirol erreicht. Hier geht dann die Piste hoch nach Shambe und den Shambe-National-Park am westlichen Nil. Manfred von der GTZ war dort gewesen und hat in Fischzucht gemacht . Bereits am Anfang der Reise hatten wir bei der GTZ in Juba außerhalb an der Wellblechbude mit viel Bier und einer Gruppe ihm bekannter Nuer aus Shambe seinen Abschied gefeiert. Doch der Traum schwand nun endgültig, als der Manager ebenso wie der SPLA-Officer anfangs in Rumbek dringend vor einer Fahrt nach Shambe warnte. (sudan.tribune vom 05.08.2010 : 21 Menschen bei einem Überfall (clashes over cattle raids) auf ein cattle camp in Yirol county erschossen ).

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Am Wegesrand: Erinnerungen an den Bürgerkrieg

Schnell sind wir wieder über Tali-Moudari-Boma-Rokon in Juba .
Hier geht die Piste am GTZ-camp vorbei hoch nach Bor - Kongor –Panyangor (Jonglei-St), die ich noch im Jahr davor befahren habe bis hoch nach Ayod (siehe :arrow: Bericht)

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Piste und Gegend vor Maar-Kongor-Panyagor/Jonglei

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Auf dem Jonglei-Kanal in Richtung Ayot-Malakal/Upper Nile

Trotz der vereinzelten LKWs, die hoch fuhren, waren die vier Monate nach den heftigen Auseinandersetzungen zwischen Dinka und Mundari zu kurz und meine Intuition verbot mir, wenigstens die 200 km hoch nach Bor zu fahren.

In Juba fing bereits am 21.02.2010 ein leichter Regen an, der an den nächsten Tagen nicht mehr aufhörte. Einen Monat zu früh! nach drei Tagen des Wartens fuhren wir auf den schlammigen Pisten nach Torit und dann als es nicht aufhören wollte nach Kapoeta, das vollkommen unter Wasser stand. Die Angst vor den Überfällen auf dieser Strecke war gewichen vor der Angst links oder rechts von der Piste zu rutschen beim Ausweichen vor den tiefen mit Wasser gefüllten Löchern.

Damit war auch der Plan, noch hoch nach Boma zu fahren, wegen der durch den Regen verschlammten Piste, endgültig aufgegeben. In Narus waren wir vier Tage festgesetzt, da es unmöglich war, die schlammige Piste aus der Missionsstation hinauszufahren. Letztlich bot sich Mandela an, uns mit dem LKW durch den Schlamm und die tiefen Löcher an der Ausfahrt der Mission zu ziehen.

An der Grenzstation in Nadapal war in der Mittagszeit alles betrunken. Der Officer wankte heran und lallte mir zu, daß ich alles auszuräumen habe oder ihm Geld geben müsse. Die anderen saßen im Schatten der Bäume gelangweilt herum. Ich holte den mir sympathischen Immigration-Mann heran, der mir sagte „Gib ihm was!“ und mit 500 Ksh und einigen Besänftigungen gab er sich zufrieden und ein anderer erhob sich und sagte: „Give beer!“ und ich holte die glühend heiße ½-Liter Dose mit russischem 10%igem Starkbier hervor, die ich noch im Auto als letzte Reserve hatte.

Der Regen ließ es dann auch nicht mehr zu, in Kenia von Lokichar über Lokori und Kapedo zum Baringo-See zu fahren sondern hinunter über West-Pokott nach Kisumu - Eldoret und schließlich nach Nairobi.
Die Entscheidung fiel in Lokichar, wo bereits am Abend ein Gewitter sichtbar wurde und das am Morgen weit über der beabsichigten Strecke stand.
Nach einem kalten Tusker am Morgen in der kleinen Bar gab mir ein Junge den Hinweis:
„Siehst Du dort hinten den hohen Felsen? Am Dienstag ist dort der Abend-Bus von Lodwar nach Eldoret beschossen, der Fahrer erschossen und die Passagiere ausgeraubt worden! Da fährst Du vorbei!“

Bevor er es aussprach, wußte ich es: „Pokott!“


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Dinka-Gruß: das Zeigen der Hörner seines Lieblingsbullen

Fazit:

Jonglei-State ist weiterhin „no go area“ !

sudan.tribun berichtete:
am 17.05.2010 : 2 Passagiere und der Fahrer des öffentlichen Busses von Juba nach Bor wurden
bei Mongala von Unbekannten erschossen
Woche davor : Unbekannte attackierten Mongala-Payam , Dutzende verletzt und Vieh gestohlen
am 23.06.2010 : 4 Tote und 2 Verletzte bei Attacke auf ein Dorf 16 miles ostwärts Bor-town
durch Murle
zwei
Wochen davor
: in Twic East bei Attacke auf ein cattle camp 17 Personen erschossen und zwei Kinder
entführt, vermutlich durch Murle
am 05.07.2010 : 2 Tote und 2 Kinder entführt im Norden von Bor-town
am 15.08.2010 : 3 Personen erschossen auf Bor-Juba Piste nörlich Gemeza:
„Der Bewaffnete schoß den Fahrer in die Brust und das Fahrzeug fuhr
unkontrolliert in den Busch. Als das Fahrzeug an einem Baum zum Stehen
kam, war der Bewaffnete sofort da und begann die anderen beiden Insassen
zu erschießen“ (so ein Augenzeuge).

Abyei-town und Umgebung ist bedingt bereisbar!

sudan.tribune berichtet:
am 06.06.2010 : Messeriya militia töten 5 Polizisten und verletzten 2 schwer 60 miles nördl.
Abyei
am 12.06.2010 : 8 Personen getötet bei Zusammenstoß zwischen bewaffneten Messeriya
Nomaden und Polizisten im Ort Maker Abior nördl. Abyei
am 07.07.2010 : Zusammenstößte in Ayei forderten 8 Tote und 4 Verletzte durch Messeriya
auf deren Seite wohl 3 Tote und 3 Verletzte zu beklagen waren
am 14.07.2010 : bei bewaffnete Zusammenstöße in Tajlei-village östl. Abyei flüchteten
600 Einwohner
dieses Grenzgebiet zwischen Nord- und Südsudan , in dem nördlich der Stadt Abyei die Grenze
nach dem Referendum im Januar 2011 gezogen werden soll ist Streitpunkt der
Ngok Dinka und der Messeriya Nomaden, die durch die Erdoelfelder vermehrt von ihren
Weidegründen und Wasserstellen vertrieben wurden, wobei die Messeriya durch Khartoum
unterstützt werden.

Pibor county ist weiterhin „no go area”!

sudan.tribune berichtet;
am 03.07.2010 : wurde ein SPLA Fahrzeug von einer Granate getroffen, wobei 11 Soldaten
getötet und über 20 verletzt wurden
allein die ständigen Angriffe der Murle machen das gesamte Gebiet ostwärts von Bor-town in erheblichem Maße unsicher-
auf Grund der heftigen Auseinandersetzungen im vorigen Jahr zwischen Nuer und Murle
war die Piste von Bor nach Pibor gesperrt worden.

UNMIS (United Nations Mission in Sudan) berichtet,
daß 2009 insgesamt 2.500 Personen getötet und 350.000 vertrieben wurden
daß 2010 insgesamt 700 Personen getötet und 152.000 vertrieben wurden im ersten Halbjahr

(sudan.tribune v.05.08.2010)

AUSBLICK

unerwartet sind die Parlamentswahlen Anfang des Jahres friedlich verlaufen, auch das Referendum im Januar 2011 wird sicherlich weitgehend störungsfrei erfolgen.
Präsident Bashir hat sich mehrmals öffentlich eindeutig dafür ausgesprochen.
Er muß als Integrations-und Stabilitätsfaktor gesehen werden.
Eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Nord- und Südsudan wird kaum mehr gesehen, denn das Gleichgewicht der Kräfte ist weitgehend hergestellt: im Gegensatz zur Vergangenheit ist die SPLA nun in allen größeren Orten und auch teils außerhalb davon vertreten mit schweren Waffen (Panzer und Flugzeuge).
Eine kriegerische Auseinandersetzung würde auch nicht mehr im Südsudan stattfinden sonderen die SPLA würde den Krieg nach Khartoum tragen.
Befürchtet wird jedoch allerorts nach dem Referendum der Beginn von bürgerkriegsähnlichen
Zuständen zwischen den Stammesgruppen um vorhandene Ressourcen im Südsudan, solange die Ordnungsfaktoren nicht funktionsfähig installiert sind.
Berichtet wird jedoch zunehmend, daß Kriminelle durch Ordnungskräfte verfolgt und gestohlene Rinder wieder zurückgeholt werden.
Eine funktionierende Ordnung kann aber nur durch eine gut ausgebaute Infrastruktur erreicht werden (Straßen, Autos, Polizeiposten, Kontrollen)
Die Zerstörung des letzten Restes des „Alten wilden Afrikas“ wäre besiegelt.


dietmar.peter
Zuletzt geändert von dietmar.peter am Mo 20. Jun 2011, 21:44, insgesamt 26-mal geändert.
Dietmar Peter

schu achbar ?

Beitrag von schu achbar ? »

Sieben Sterne von sieben möglichen, Dietmar.
Best Tourbericht ever...


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Achim Vogt
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Registriert: Fr 2. Jan 2009, 19:32
Wohnort: Kampala / Uganda

Beitrag von Achim Vogt »

Lieber Dietmar,

wenn ich so viel Bier getrunken hätte, hätte ich sicher auch sieben Sterne gesehen :lol:

Bist Du nun eigentlich privat gereist, oder warst Du im offiziellen Auftrag unterwegs - und wie bist Du mit Berliner Kennzeichen überhaupt nach Kenia gekommen, wenn Du so oft dorthin reist? Machst Du jedes Mal die komplette Tour?

Viele Grüße
Achim

Roger-Tecumseh
Beiträge: 2066
Registriert: Mi 6. Jun 2007, 16:37

Beitrag von Roger-Tecumseh »

Hallo Dietmar,

"Wer nach Südsudan fährt, muß sich über die Gefahren bewusst sein. Urlaub in „Bürgerkriegsgebieten“ sollte man unterlassen –das Risiko ist nicht einzuschätzen! "



Niemand, der auch nur einigermassen informiert ist, koennte an der Wahrheit Deiner Aussage zweifeln!
Deswegen ergibt sich fuer mich die Frage: gilt dieser richtige Hinweis nicht fuer Dich - und wenn es so waere, wuerde ich gern wissen, warum nicht?

Dein Bericht betont immer wieder, wie Ihr angstgebeutelt (und wer wollte die Berechtigung dieser Aussage herunterspielen) Eure "Reise" (?) durchfuehrt. Die von Dir angefuehrten Mord- und Totschlagzahlen (an deren Echtheit kein Zweifel moeglich sein duerfte) ergeben deshalb zwangslaeufig eher einen Kriegs- als einen Reisebericht. Welche Motivation bewegt Euch also, dort immer wieder Euer Leben aufs Spiel zu setzen?

Gruss

Roger-T.

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